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Genossenschaftsidee seit 2016 bereits anerkannt als

Immaterielles Kulturerbe der Menschheit!

Gesellschaftliche Selbstorganisationsform ist erster deutscher Eintrag

auf UNESCO-Liste

 

Ende 2016 wurde Deutschlands erste UNESCO-Nominierung in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen: die "Idee und Praxis der Organisation von gemeinsamen Interessen in Genossenschaften". Damit setzt Deutschland einen neuen Impuls im Rahmen der internationalen Umsetzung der UNESCO-Konvention und trägt zur Vielfalt auf den UNESCO-Listen bei.

 

Die Kulturform der Genossenschaften ist nicht ausschließlich in Deutschland entstanden. Vorläufer der modernen Genossenschaft gab es unter anderem in Großbritannien, Frankreich und im Osten Europas. Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen haben Mitte des 19. Jahrhunderts hierzulande entscheidende Grundlagen gelegt, die weltweit bis in die Gegenwart wirken. Die Kultur der Organisation von Interessen durch genossenschaftliche Praxis ist heute nahezu weltweit zu finden.

 

"Es will schon etwas heißen, wenn sich Deutschland als Erstes mit der Kultur der Organisation von Interessen durch genossenschaftliche Praxis in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO eintragen lässt! Unter Rückgriff auf unser Geschichtsbewusstsein wertschätzen wir damit die millionenfache Selbstorganisation von Genossenschaftsmitgliedern im In- und Ausland. Das darin zum Ausdruck kommende solidarische Miteinander erstreckt sich zugleich auf die internationale Entwicklungszusammenarbeit, in deren Fokus die nachhaltige Entwicklung steht. In Sachsen kommt zu der gelebten Praxis auch das Gedenken Hermann Schulze-Delitzschs, neben Friedrich Wilhelm Raiffeisen einem der Begründer des modernen Genossenschaftswesens, als Bestandteil unserer Erinnerungskultur hinzu."

(Dr. Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sachsen)

 

Genossenschaften als reine wirtschaftliche Unternehmensformen zu betrachten, wie es einige wenige ignorante Mitarbeiter von Finanzämtern und der DRV immer noch tun, greift dabei zu kurz:

 

Zwar haben sie in der Regel wirtschaftliche Ziele, doch ist diese spezielle Organisationsform, Menschen mit gemeinsamen Interessen ohne Gewinnerzielungsabsicht zur Erreichung gemeinsamer Ziele zusammenzubringen, von nicht zu unterschätzender kultureller Bedeutung. Dies wurde in der Begründung des unabhängigen Expertenkomitees Immaterielles Kulturerbe für dessen Auswahlempfehlung für die UNESCO-Nominierung hervorgehoben (Auszüge): Genossenschaften orientieren sich an sozialen Werten und bauen auf ideellen Grundsätzen wie Solidarität, Ehrlichkeit, Verantwortung und Demokratie – das heißt auf Prinzipien des kulturellen Selbstverständnisses menschlicher Gemeinschaften – auf. Dieser Aspekt sowie das durch diese Kulturform zum Ausdruck kommende bürgerschaftliche Engagement im sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich jenseits von privaten und staatlichen Wirtschaftsformen sprechen, der Begründung zufolge, für die Genossenschaftsidee als Vorschlag für die UNESCO-Liste.

Als ein bis heute dynamisch, einflussreich und aktiv wirkendes immaterielles Strukturelement vertritt die Genossenschaftsidee die spezifische Charakteristik deutscher Gesellschaftskultur. Genossenschaften ermöglichen darüber hinaus weniger privilegierten Bevölkerungsschichten gesellschaftliche Teilhabe. Die Genossenschaftsform ist ein allen Interessenten offenstehendes, überkonfessionelles Modell der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung und prägt damit die deutsche Kultur bis in die Gegenwart hinein. Zugleich ist der Vorschlag durch die nahezu weltweite Verbreitung der Genossenschaftsidee international gut anschlussfähig; deren Bedeutung ist auch durch die Ausrufung eines UN-Jahrs (2012) zum Thema anerkannt.

Quelle: https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-weltweit/genossenschaftsidee-als

 

Wissenschaftliche Perspektiven auf die kulturelle Bedeutung von Genossenschaften

Die UNESCO vertritt spätestens seit 1982 (UNESCO-Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexiko-Stadt) einen erweiterten Kulturbegriff: Er bezieht sich auch auf Lebensweisen, fundamentale Rechte des Menschen, Wertesysteme, Traditionen und Glauben.

Der Soziologe Prof. Dr. Gunter Runkel von der Leuphana-Universität Lüneburg versteht Kultur ebenfalls nicht nur als Teilbereich des Handlungssystems, sondern auch als Teilbereich des Sozialsystems, das die Genossenschaften einschließt. Wie alle Traditionen und Kulturformen unterlägen Genossenschaften einem Wandel. Runkel vertritt wie viele andere Wissenschaftler die Meinung, dass Genossenschaften eine moderne Organisationsform darstellen, da in ihnen Flexibilität, Kreativität und Innovationsfähigkeit stärker als in traditionellen Unternehmen ausgeprägt seien. Runkel betont außerdem den Vorbildcharakter der Genossenschaften für andere Organisationsformen, denn sie beruhen auf der Annahme, dass nicht in einer weiteren Differenzierung, sondern in einer Durchdringung mit Gemeinschaftsaspekten, in denen ein höheres Maß an Partizipation vorhanden ist, eine größere Effizienz erreicht werden kann.

 

Die Soziologin Mareike Alscher, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin, rückt das zivilgesellschaftliche Potenzial von Genossenschaften in den Fokus: Sie übernähmen durch ihre demokratisch aufgebaute Organisationsstruktur, ihre starke Mitgliederorientierung und durch ihr zivilgesellschaftliches Engagement gesellschaftliche Verantwortung sowohl nach innen als auch nach außen. Sie eröffnen einen breiten Raum für ehrenamtliches Engagement mit Gemeinwesenbezug. Zweck der Genossenschaften sei es, die Eigenwirtschaft der Mitglieder sowie deren soziale und kulturelle Belange durch einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb zu fördern. "Die Idee der Kooperation, der Gedanke des Kräftebündelns und der synergetische Austausch unter Einbeziehung der Selbstständigkeit bieten weitreichende Möglichkeiten, um neben bestimmten ökonomischen Auswirkungen auch ökologische, soziale oder kulturelle Wandlungsprozesse aufzufangen und mitzugestalten." Sie auf ihre Wirtschaftlichkeit zu reduzieren, werde dem deutschen Genossenschaftswesen folglich nicht gerecht. Sie zeichneten sich vor allem durch ihre demokratische und durch Solidarvorstellungen geprägte Organisationsstruktur und -kultur aus.

Der Historiker Dr. Holger Martens bezeichnet die genossenschaftliche Organisationsform im Grundsatz als einen "Zusammenschluss von Menschen, die sich in gleichen oder ähnlichen Problemlagen befinden und gemeinsam Lösungen suchen". Die Genossenschaftsidee sei ein wirksamer Selbsthilfeansatz zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen, dessen Potenzial er als bei weitem noch nicht ausgeschöpft und noch immer unterschätzt beurteilt. 

Prof. Dr. Marco Lehmann-Waffenschmidt von der Technischen Universität Dresden betont, dass das Genossenschaftsprinzip dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet und gemeinwohlorientiert sei. Es basiere auf dem Grundprinzip, die Bedürfnisse der an der gemeinschaftsorientierten Wirtschaftseinheit teilnehmenden Akteure mit den Bedürfnissen der nicht Beteiligten in Einklang zu bringen. 

Prof. Univ. PEM Fritz Wibbeling, seit fünfzehn Jahren Forschungs- und Lehrbeauftragter der Privatuniversität für Europäisches Management   für internationales Startup-Coaching, steht seit 2016 für die Gründung von Sozialgenossenschaften im Pflegebereich und auch ehrenamtlich als Startup-Coach für gemeinnützige Vereine und Organisationen zur Verfügung. Ein Teil seiner derzeitigen Forschungsarbeit ist die Dokumentation der Verhaltensweisen der Mitarbeiter von Ämtern und Behörden in Bayern, die entgegen dem Auftrag des Freistaats Bayern (Art. 153 der By Verf.) die Gründung von (Sozial-)Genossenschaften behindern statt sie zu fördern.